Umstrukturierung der Verbindlichkeiten der größeren Steuerschuldner gegenüber dem Staatshaushalt während der Pandemie und sonstige steuerliche Krisenmaßnahmen
I. Hintergrund: der Steueraufschub von 2019
Unter Berücksichtigung der festgestellten niedrigen Beitreibungsquote der Steuerforderungen durch die beiden klassischen, dem Staat zur Verfügung stehenden Instrumente, d. h. durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung bzw. des Insolvenzverfahrens, ist am 8. August 2019 die Regierungsverordnung Nr. 6/2019 über die Einführung gewisser Steuererleichterungen in Kraft getreten. Auch wenn das vorrangige Ziel der durch die Verordnung verabschiedeten Maßnahmen die Gewährleistung einer höchstmöglichen Einziehung von öffentlich-rechtlichen Forderungen gegenüber den Steuerzahlern war, haben sie gleichzeitig auch zur Befriedigung privater Interessen beigetragen, indem sie durch Umstrukturierungsmaßnahmen zur Wiedereingliederung in die Wirtschaft eine Wiederbelebung von Unternehmen erwirkt und zur Vermeidung von Insolvenzverfahren beigetragen haben.
Die im ersten Kapitel der Regierungsverordnung Nr. 6/2019 genannten Maßnahmen führen zu einer Verbesserung der Situation von Unternehmen mit knappen Finanzressourcen und mit Steuerverbindlichkeiten, deren Wert als steuerliche Hauptleistungen (ohne Zinsen und Verzugsstrafen) zum 31. Dezember 2018 mindestens eine Million Lei beträgt. Diese Kategorie umfasst alle Verbindlichkeiten der Steuerpflichtigen und Zahler gegenüber dem konsolidierten Gesamthaushalt, so wie in den Rechnungsführungsunterlagen der zentralen Finanzbehörde (d. h. der Nationalen Agentur für Steuerverwaltung ANAF und der Einheiten, die der ANAF unterstellt sind) ermittelt, zur Einziehung von: Mehrwertsteuer, Verbrauchsteuern, auf den Umsatz der Kleinstunternehmen berechnete Steuern, Gewinnsteuern/Körperschaftsteuern, Dividendensteuern, Einkommensteuern, Verbindlichkeiten aus Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber dem Staatshaushalt oder Sonderfonds, Verbindlichkeiten aus Steuern und Gebühren öffentlicher Einrichtungen, Geldbußen jeglicher Art, aufgrund von rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen erwirkte Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat (lato sensu).
Wenn die in der Verordnung vorgesehenen Anforderungen erfüllt sind, können die großen Steuerschuldner neben der Aufhebung störender Kontopfändungen auch von folgenden anderen Vorteilen profitieren:
Tilgung sämtlicher steuerlicher Nebenansprüche zu Steuern, deren Wert nach längerer Zeit den Wert der geschuldeten steuerlichen Hauptleistungen übertreffen kann;
Umstrukturierung der geschuldeten steuerlichen Hauptleistungen für einen Zeitraum von bis zu 7 Jahren gemäß einem von den Finanzbehörden genehmigten Zahlungsplan. Bei einer Einhaltung dieses Zahlungsplans entstehen während des gesamten Zeitraums der Umstrukturierungsmaßnahme keine steuerlichen Nebenansprüche mehr.
Tilgung von bis zur Hälfte der steuerlichen Hauptansprüche => aus einer Schuld von einer Million Lei kann ein Betrag von 500.000 Lei getilgt werden;
Tilgung der wichtigsten steuerlichen Hauptansprüche durch die Hingabe von Immobilien an Zahlungs statt oder durch die Umwandlung der Steuerverbindlichkeiten in Aktien.
Die für diese Steuererleichterungen idealen Bewerber erfüllen unter anderem folgende Kriterien: Sie befinden sich in einer finanziellen Notlage, aber nicht in Insolvenz und sie erfüllen nicht die in der Steuerverfahrensordnung genannten Anforderungen, um von einer Umstrukturierung der Verbindlichkeiten profitieren zu können (z. B. sie sind nicht in der Lage, die gesetzlich vorgesehenen Garantien bereitzustellen).
Um das Verfahren zur Inanspruchnahme dieser Erleichterungen einzuleiten, mussten die interessierten Unternehmen zunächst bis zum 30. September 2019 eine Mitteilung bei der zuständigen Finanzbehörde einreichen. Diese Frist wurde allerdings wiederholte Male verlängert, und zwar wurde die Frist zuerst auf den 31. Oktober 2019, dann auf den 31. März 2020 verschoben, um dann durch die Dringlichkeitsverordnung Nr. 29/2020 betreffend einige wirtschaftliche und fiskalisch-budgetäre Maßnahmen auf den 31. Juli 2020 verschoben zu werden.
II. Umstrukturierungen der Geschäftstätigkeit während der Pandemie
Aktuell werden wir von höchster Ebene gewarnt, dass der wirtschaftliche Schock der Pandemie stärker als die Auswirkungen der Krise von 2008 sein wird, und dass es nur eine Illusion ist, wenn sich gewisse Staaten vorstellen, dass die wirtschaftliche Erholung schnell eintreten würde. Bestenfalls können wir auf ein “U”-förmiges Szenario hoffen – d. h. auf einen allmählichen Rückgang, gefolgt von einer ähnlich allmählichen wirtschaftlichen Erholung. Es müssen aber die erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen getroffen werden, um ein “L”-förmiges Szenario zu vermeiden – das wäre ein steiler und lange anhaltender Zusammenbruch.
Unter diesen Umständen veröffentlichte die Regierung am 21. März, nach langwierigen Analysen, Debatten und Pressemitteilungen, die Dringlichkeitsverordnung Nr. 29/2020. In dieser Dringlichkeitsverordnung wurden die vorher gemachten Versprechen und die erforderlichen Maßnahmen zur Verwaltung dieser wirklich dringenden Situation nur zu einem kleinen Teil konkretisiert. Die dadurch vorgenommenen Änderungen der Umstrukturierungen der Geschäftstätigkeit lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Bis zum 31. Juli 2020 können juristische Personen, die Ende 2018 Steuerverbindlichkeiten gegenüber dem Staatshaushalt in Höhe von mindestens einer Million Lei hatten, bei der zuständigen Finanzbehörde eine Mitteilung über die beabsichtigte Inanspruchnahme der Umstrukturierung einreichen.
2. Bis zum 30. Oktober 2020 müssen Unternehmen folgende Anforderungen erfüllen:
Sie müssen mit Hilfe eines Sachverständigen einen Plan mit den geplanten Maßnahmen zur Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit erstellen. Dazu zählen zum Beispiel die Unternehmensumstrukturierung durch die Änderung der Aufstellung des Stamm- oder Aktienkapitals oder eine Tätigkeitseinschränkung durch eine teilweise Verwertung der eigenen Vermögenswerte;
Sie müssen, ebenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen, eine Analyse zum Nachweis der überlegenen Leistung der Schuldentilgung über die Umstrukturierung gegenüber der Leistung im Falle einer Zwangsvollstreckung/Insolvenz (der sog. „Test des normalumsichtigen Privatinvestors“);
Sie müssen sämtliche zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 30. Oktober 2020 fälligen Steuerschulden tilgen;
Wenn das betreffende Unternehmen auch die teilweise Tilgung der Hauptschuld beantragt, muss das Unternehmen einen entsprechenden Prozentsatz der Hauptschuld tilgen, und zwar wie folgt: Für eine Tilgung von bis zu 30% der Verbindlichkeiten muss ein Betrag in Höhe von 5% der Hauptschuld entrichtet werden; für eine Tilgung zwischen 30% und 40% der Verbindlichkeiten muss ein Betrag in Höhe von 10% der Hauptschuld entrichtet werden; und für die Tilgung zwischen 40% und 50% der Verbindlichkeiten muss ein Betrag in Höhe von 15% der Hauptschuld entrichtet werden.
Die Finanzbehörden sind gesetzlich dazu verpflichtet, für jene Unternehmen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, deren Gesamtsteuerverbindlichkeiten gegenüber dem Staatshaushalt Ende 2018 den Wert von einer Million Lei übertreffen, und welche die in der Dringlichkeitsverordnung Nr. 6/2019 genannten Maßnahmen zur Umstrukturierung ihrer Geschäftstätigkeit nicht ergreifen.
III. Sonstige steuerliche Schutzmittel für natürliche und juristische Personen
Die Dringlichkeitsverordnung Nr. 29/2020 sieht, neben der Verlängerung der Frist für die Umstrukturierung der Geschäftstätigkeit, auch weitere Steuererleichterungsmaßnahmen vor:
Verlängerung der Frist für die Entrichtung des ersten Teilbetrags der Gebäude-, Grundstücks- und Transportmittelsteuern bis einschließlich zum 30. Juni 2020. Bei einer Entrichtung der jährlichen Steuern in vollständiger Höhe bis zur genannten Frist wird ein durch die lokalen Gemeinderäte festgelegter Bonus in Abzug gebracht (der Bonus beträgt grundsätzlich 10%);
Für Steuerverbindlichkeiten, die ab dem 21. März 2020 fällig sind und innerhalb von 30 Tagen ab dem Ende des Notstands nicht entrichtet werden, fallen keine Zinsen und keine Zahlungsverzugsstrafen an;
Steuerschulden, die ab dem 21. März 2020 anfallen, stellen keine ausstehenden Steuerverpflichtungen dar und werden daher im steuerlichen Führungszeugnis nicht eingetragen.
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Form von Kontopfändungen zur Einziehung der Steuerforderungen werden entweder nicht eingeleitet oder ausgesetzt, mit Ausnahme der durch rechtskräftige Gerichtsentscheidungen in Strafsachen erwirkten Maßnahmen. Banken müssen diese Maßnahme umsetzen, ohne dass weitere Formalitäten seitens der Finanzbehörden erforderlich wären – Dies ist übrigens eine Vorgehensweise, die die Banken nach unserem Ermessen auch für die Sicherungsmaßnahmen annehmen sollten.
Auf die Verschiebung der Frist für die Abgabe von Steuererklärungen wurde verzichtet, aber das Ministerium für Öffentliche Finanzen und die Nationale Agentur für Steuerverwaltung ANAF versichern uns, dass sämtliche außergewöhnlichen und gerechtfertigten Fälle von Verzögerungen bei der Abgabe von Steuererklärungen mit der gesetzlich zulässigen Offenheit und Nachsicht behandelt werden würden.
Wir hoffen, dass die Gespräche, die laut täglichen Zusicherungen der Regierung mit den von der Pandemie stark betroffenen wirtschaftlichen Sektoren geführt werden, zu mutigeren vorübergehenden Steuererleichterungen führen werden, wie beispielsweise in Bezug auf die Entrichtung der Mehrwertsteuer. Zur Entrichtung der Mehrwertsteuer bis zum 25. März waren alle Personen verpflichtet, die den Monat als Geschäftsperiode festgelegt haben, und die im Februar Rechnungen für erbrachte Dienstleistungen und/oder Warenlieferungen erstellt haben. Bis zum 25. April müssen alle Personen, die vierteljährlich Mehrwertsteuer entrichten, die für alle im laufenden Jahr in Rechnung gestellten Dienstleistungen und/oder Warenlieferungen geschuldete Mehrwertsteuer zahlen.
Livia Moldovan, Rechtsanwältin Iordăchescu & Partner